Die wohl am häufigsten strapazierte Metapher, mit denen die deutschsprachigen Medien ihre Zuschauer, Hörer und Leser seit dem 04. März 2018 genervt haben, dürfte neben “dem Erdbeben” wohl “der Tsunami” gewesen sein, der angeblich in Italien keinen Stein mehr auf dem anderen gelassen haben soll. Für einen “Erdrutschsieg” war das Wahlergebnis nicht eindeutig genug, denn schließlich musste sich Di Maio mit Renzi und Berlusconi die Stimmentorte – extrem grob beschrieben – zu je einem Drittel aufteilen.
Da ein klarer Wahlsieg also anders aussieht, ist es demzufolge auch noch nicht ganz sicher, wen der italienische Staatspräsident Sergio Mattarella mit der Bildung einer Regierung beauftragen wird. Aber es spricht doch einiges dafür, dass es Luigi Di Maio von den Fünf Sternen sein könnte, dem die Verantwortung hierfür übertragen werden wird.
In Deutschland, Südtirol und Resteuropa berichten ALLE Medien (mit sehr seltenen Ausnahmen) äußerst fleißig über die Finanzmärkte beunruhigende (HaHaHa!) Entwicklung in Italien. Fast kein Redakteur versäumt es, die Bewegung, die vor knapp zehn Jahren von Beppe Grillo ins Leben gerufen wurde, als “populistisch” zu diskreditieren und ihren Gründer entweder als einen “Komiker” oder gar als “Clown” herabzusetzen und verächtlich zu machen.
Titelbild vom ff-Wochenmagazin am 08.März 2018
Beides ist ebenso böse wie falsch und gerade die Deutschsprachigen, die völlig zu Recht sehr stolz auf ihre wunderbare Sprache sein dürfen, obwohl diese zwar oft recht sperrig und unschön klingt, aber durch mannigfaltiges Vokabular beachtliches Potenzial zur linguistischen Präzision ermöglicht (ja nachgerade fordert), gerade diese deutschsprachigen Journalisten sollten bei der Klassifizierung der Fünf Sterne und ihres Spiritus Rector ihre Worte doch erheblich sorgfältiger wählen.
Denn erstens ist Beppe Grillo weder ein Komiker noch ein Clown. Weil das nämlich beides, zumindest im deutschen Sprachraum, völlig unpolitische Spaßmacher sind, die, wenn’s gut läuft, einen Salto aus dem Stand vorführen und wenn’s blöd läuft, einem eine Torte ins Gesicht drücken. Doch weder Salto noch Torte sind von Grillo bislang überliefert.
Zotenkönig Fips Asmussen: („Kommt ’ne Frau beim Arzt…“)
Dass Beppe Grillo sich seinerzeit für einen anderen Weg entschieden und den Weg in die Politik gefunden hat, das ist ihm hoch anzurechnen und man sollte sich als deutscher Bildungsbürger wenigstens für den Bruchteil einer Sekunde kurz geschämt haben, dass Grillos deutsche Kollegen nicht den gleichen Mumm hatten wie er.
Im Übrigen ist Grillo auch schon fast wieder Geschichte, denn er hat den Stab längst auch offiziell schon an den neuen politischen Chef Luigi Di Maio weitergereicht, weshalb der Gründer mehr und mehr nur noch im Hintergrund wahrgenommen werden kann. Der Generationenwechsel ist nach knapp zehn Jahren also vollzogen, doch von der schreibenden Zunft wird dieser Umstand eigenartigerweise ignoriert.
Die zweite große Unrichtigkeit, die hartnäckig über den M5S verbreitet wird, ist, dass es sich angeblich um eine “populistische Partei” handeln soll. Allerdings sind die Fünf Sterne Bewegung bei sorgfältiger Betrachtung tatsächlich weder eine Partei im klassischen Sinne und vor allem sind sie erst recht nicht populistisch.
Das wesentliche Merkmal einer populistischen Partei ist das Anbieten von einer, maximal zwei Antworten auf nahezu alle möglichen Fragestellungen unserer Zeit, von der Altersver- über die Müllentsorgung bis zum Zentralen Raketenabwehrprogramm im Weltall. So auch 2018 im italienischen Parlamentswahlkampf der eigentlichen Clowns:
Silvio Berlusconi: “Gebisse für alle!”
Matteo Salvini / Renzi: “Ausländer raus! / Schrotthändler rein!“
Solche populistischen Parolen ziehen zwar noch recht gut bei den eher schlichten Gemütern, bringen in der Regel aber dauerhaft immer weniger Wählerstimmen. Denn diejenigen Wähler, die noch einigermaßen bis drei zählen können und das ist glücklicherweise immer noch die Mehrheit, denen wird auch nach nur ganz wenig Nachdenken bewusst, dass man mit Populismus eben doch kein Land führen kann.
Vom MoVimento-5-Stelle dagegen gibt es auf komplexe Fragen eben keine eindimensionalen Antworten. Dort Mitglied zu werden und zu bleiben, dort mitzuarbeiten an komplexen Lösungen zu komplexen Problemen, das ist richtig anstrengend und man muss sich darüber wundern, wie die Bewegung es trotzdem schafft, so viele Aktivisten für die Unterstützung ihrer politischen Arbeit zu gewinnen.
Im Wahlkampf zur Parlamentswahl am ersten Märzsonntag hat Di Maio ein Zukunftsprogramm von zwanzig Punkten (!) auf zwei DIN-A4 Seiten verteilt, die man sich überhaupt erst einmal Punkt für Punkt in Ruhe durchlesen musste. Es gab sicherlich nicht wenige, die erst einmal eine gute Stunde Zeit investieren mussten, um zu verstehen, worum es der Bewegung denn im Detail überhaupt geht.